Donnerstag, 14. November 2013

Some people are pistachios

Ich habe mir letztens Pistazien gekauft. Als ich eine fest verschlossene erwischte musste ich an eine bestimmt Person denken. Darüber dass gewisse Pistazien gewissen Personen ähneln.

Es gibt mehrere Sorten von Pistazien und natürlich auch von Menschen. Es gibt diese runzligen, muffigen Dinger die lose in der Tüte lungern. Dann gibt es die schon recht weit geöffneten, die leicht zu knacken sind (wenn man da überhaupt noch von knacken sprechen kann). Weiter gibt es die verschlosseneren und welche wo du erst mit dem Fingernagel dran herumpopeln musst, um sie öffnen zu können. Und es gibt die gänzlich dichten Pistazien.

Diese Luder, die so lose rumlungern haben oft eine braune nach Papier schmeckende Haut, die sich schon langsam zu lösen beginnt. Meistens schmecken sie nicht. Muffig eben und extrem salzig. "Ich war die Erste, ich bin leicht zu haben, iss mich zuerst!" Ich erzähle dir die Geschichte meines Lebens, obwohl du sie überhaupt nicht hören willst. Dir wird höchstens deine eklige Haut abgezogen, liebe Pistazie, und dann wird vielleicht an dir geknabbert. Allerdings bist du so schnell aus meinem Gedächtnis verschwunden, wie du in es gekommen bist.

Diese leicht zu knackenden Pistazien sind oft ganz nett. Du freust dich, weil sie so leicht zu öffnen ist und noch mehr, wenn sie von einer runzligen Haut verschont wurde. Man kann großen Spaß mit solchen Pistazien haben, doch oft ist nicht viel dahinter und auf die Dauer bleibt es bei einem freundlichen "Hallo".

Die, welche nur mit dem Fingernagel zu öffnen sind, sind mir meist die liebsten. Ich freue mich immer, weil ich mir nie sicher sein kann, was ich bekomme. Ein knackiges, grünes Ding? Etwas, was irgendwie psychopathisch aussieht? Etwas Steinhartes? Etwas Großes oder etwas Kleines? Etwas Tiefsinniges? Sollte es übrigens zu psycho werden, einfach umziehen.

Aber am heftigsten sind die gänzlich Verschlossenen, solch eine hatte ich letztens in der Hand. Was ist los mit dir, Pistazie? Du schaust mich fragend an, doch ohne eine Frage zu stellen? Ich raschele dich ein bisschen um erahnen zu können, was in dir lauert. Keine Antwort und öffnen tust du dich auch nicht. Ich schlecke dich ab. Salzig du bist. Ich suche eine passende Stelle in meinem Gebiss, in die ich dich legen und zaghaft nagen kann. Nichts. Ich weiß genau, wenn ich irgendetwas Schweres auf dich werfen, gehst du kaputt. Also lasse ich es. Du landest in der leeren Tüte, zusammen mit den angebissenen Ludern. Offensichtlich willst du das, oder? Es ist okay, wirklich. Ich hoffe nur, dass du vielleicht irgendwo in Neapel ein schmutziges Fleckchen für dich findest und dich vielleicht doch noch öffnest. Um als Pistazienbäumchen aufzublühen. Dann komme ich vielleicht irgendwann mal vorbei und schaue was in deiner Hood so läuft.

Montag, 4. November 2013

Nr. 8

Es gibt sie überall. Die Nummer 8. Überall wo es Straßen gibt, die weiterführen als bis zur Nummer 7. In solch einer Nummer habe ich eine intensive Zeit verbracht. Eine Zeit, die schon lange zurückliegt und mir dennoch dann und wann wieder ins Gedächnis steigt. Die Nummer 8 steht noch immer und wahrscheinlich leben dort auch noch immer dieselben Menschen. Es gab Salat mit toten Insekten, einen zeitweise betrichterten Hund mit Socke, Engel, Hip Hop, kein Putzmittel, dafür aber Rosenwasser und kein Internet.

Dort lebte meine erste große Liebe und dort habe ich meine Unschuld verloren. Birk ist jetzt groß und wohnt vielleicht irgendwo in Nordrhein Westfalen. Birk hatte zwei Meerschweinchen. Ein weißes, sehr zurückgezogenes Ding und ein multikulturelles. Ich nenne es mal Snicket. Snicket war bestimmt schon 13, als ich eines Morgens aufstand und in den Garten ging um nach ihm zu schauen. Es war Sommer und die Sonne schien schon recht stark. Snicket lag in seinem Gehege und war steif wie ein Brett. Ich hatte noch nie vorher ein totes Meerschwein gesehen. Die Augen waren sogar noch da, was heißt dass es noch nicht so lange tot sein konnte. Ich weinte fürchterlich, ging in die Küche, holte ein Geschirrtuch und legte es über das Tier. Das war's mit Snicket. Das weiße Ding muss daraufhin so unter der plötzlichen Einsamkeit gelitten haben, dass es die Flucht ergriff. Soweit ich weiß, ward es nie wieder gesehen.

Die anderen Wesen der Nummer 8 waren der Bruder Anton, die Mutter Traudel und der Vater Gustav. Gustav ist ein Waldmann. Man könnte fast meinen er sei ein Baum, nicht weil er groß und stämmig ist, sondern sich waldmäßig seiner Umgebung anpasst. Er hat nie viel gesprochen, das hat Traudel übernommen. Das schien Gustav aber nicht zu stören, er ist eben ein Waldmann. Er hat oft Holz gemacht, zusammen mit Birk und Anton. Viel Holz. Gefühlte Stunden stand ich am Fenster und habe ihnen dabei zugeschaut. Ich bin ein Mensch der keine Langeweile erträgt, dann ungeduldig und bisweilen auch mal aggressiv wird. Da musste auch Birk durch.

Bruder Anton war einmal ein Maulwurf. Er war dick, hatte eine Brille und kurze braune Haare. Doch zu meiner Zeit war Anton schwer damit beschäftigt an seiner Hantelbank Gewichte zu stemmen. Anton hatte keine Brille mehr und war auch nicht mehr dick. Um in Birk's Zimmer zu gehen musste ich am schwitzenden Anton vorbei. Hi Anton, Hi Kathinski. Er macht jetzt bestimmt irgendetwas anzugmäßiges. Ich habe Foto's von ihm mit langen Haaren gesehen. Anton, das geht gar nicht.

Traudel. Wenn jemand als impulsiv bezeichnet werden kann, dann ist es Traudel. Traudel ist so etwas wie eine Esoterik-New-Age-Hippiekerin. Sie macht auch diese Zaubersache mit den heilenden Händen. Einmal hat Anton sich fast den Daumen abgehackt und Traudel hat daraufhin erstmal gezaubert. Traudel hat auch gekocht und das ganze Geld meistens für Rapunzelzeug ausgegeben. Das fand ich fantastisch. Weil Rapunzelzeug einfach der Wahnsinn ist. Traudel hat eine sehr dicke Brille und einmal kam sie in die Küche und meinte fröhlich, sie trüge jetzt den Urlaub auf der Nase. Eine neue Brille.

Traudel ist auch gerne mal ausgerastet. Ihr müsst wissen, Birk war soetwas wie hyperaktiv. Das konnte einen schon mal in den Wahnsinn treiben, auch Traudel. Birk legte ihr beim Frühstück einen Senfdeckel auf den Kopf, das war Traudel zu viel. Wie ein Kugelfisch plusterte sie sich auf und trötete herum dass es ja jetzt genug sei. Birk lief schnell wie der Wind in das benachbarte Badezimmer und schloss sich ein. Traudel hämmerte mit ihren kleinen, rachsüchtigen Fäusten gegen die Tür. Das ging ein paar Minuten so, dann ging sie raus. Sie setzte sich auf die Bank vor dem Haus um eine American Spirit zu rauchen.

Traudel hat auch gerne gekocht. Biologisch. Immer. Ich fand das eigentlich ganz prima. Allerdings habe ich auch da meine Erfahrungen machen müssen. Dass wenn der Salat nicht wirklich abgewaschen wird, auch mal eine riesige Schnake in der Schale landen kann. Ich wusste nicht, dass es so viele verschiedene Getreidesorten gibt. Dass es Milch gibt, die mehr als 3,5 Prozent Fettanteil hat. Dass es Kakao gibt, der in dieser Milch einfach nicht untergehen will und dass man gewissen Weihrauch essen kann.

In der Nummer 8 gab es überall diese abgefahrenen Salzkristalllampen. Traudel hatte auch ein eigenes kleines Nest, mit Tüchern und Engelkarten an den Wänden. Eine riesige Schale mit Edelsteinen gab es auch. Aber kein Putzmittel und nur Aloe Vera Zahncreme.

Ich wollte einmal Birk's Zimmer saubermachen. Ich fragte Traudel nach Putzzeug und sie meinte, ich könnte etwas Rosenwasser in's Wasser träufeln. Ich weiß nicht ob es effektiv irgendetwas gebracht hat, aber wahrscheinlich roch es besser als muffige, zermatschte, alte Hautschuppen. Das Holz der Regale war nämlich nicht beschichtet und dementsprechend schwer zu reinigen.

Birk. Birk war früher auf einer Baumschule, wie viele es nennen würden. Wie cool so eine Schule gewesen sein muss! Gut, man durfte keine blinkenden Schuhe anziehen und sich auch nicht die Haare färben, aber man konnte eurythmisch seinen Namen tanzen und Modelle von kleinen Häusern bauen. Ein solches stand auf Birk's Regal. Wirklich fantastisch. Birk hat Hip Hop gehört. Dank ihm kenne ich franzöischen Hip Hop, Casino 94 und Clueso. Wir hatten sogar ein gemeinsames Lied, Beyoncé und Jay Z's Bonnie & Clyde.
Man konnte aus seinem Zimmer durch's Fenster hinausklettern. Einfach über die Magickarten auf der Fensterbank steigen und in einer Art Dachboden landen. Dort lag jede Menge Stroh. Wie scharfkantig Stroh doch sein kann. Von dort konnte man über eine Leiter nach unten steigen in eine Art Anbauschuppen. Es war wirklich wundervoll. Wir haben die Wände seines Zimmers beschriftet und mit Sachen behangen. Es gab überall Pflanzen.

Es ging nicht gut aus mit Birk und mir. Sein bester Freund kam dazwischen. Trotzdem erinnere ich mich gerne an die Zeit in der Nummer 8.